Programm

Liebes Publikum

Jedes Mal, wenn eine Person vor ein Publikum tritt, wird es auch autobiographisch, denn wir sehen immer den eigenen, persönlichen Körper der Darsteller*in. Da hilft kein Kostüm und keine fiktive Figur, der Körper erzählt immer auch seine eigene Geschichte. In diesem Spielplan versammeln wir Werke, die explizit bei der persönlichen Erfahrung ansetzen, sich als Beispiel nehmen, am eigenen Leib gesellschaftliche Zustände verhandeln.

 

Das kann man jetzt für einen Akt des Größenwahns halten und sich denken: wie wichtig nimmt sich jemand denn da bitte? Ich kann darin aber auch einen Akt der Bescheidenheit, ja, der Demut sehen. Ist das bei sich anfangen, nicht auch das Eingeständnis, nichts Allgemeingültiges sagen zu können, die Begrenztheit der eigenen Position zu akzeptieren und aus ihr heraus zu sprechen - immer in der Hoffnung, dass die anderen mit ihrer Begrenztheit in derselben Welt leben, also ähnliche Erfahrungen machen und wir so zueinanderkommen.

 

Auch in der aktuellen Literatur lässt sich eine Häufung autobiographischen und autofiktionalen Schreibens beobachten. Ist das jetzt ein Rückzug ins Private oder die angemessene Reaktion in Zeiten, in denen es immer mehr (falsche) Informationen gibt, immer mehr Perspektiven einbezogen werden müssen, die Gefahr von Missverständnissen immer bedrohlicher und der Anspruch, Allgemeingültiges zu sagen, immer anmaßender wird? Setzt die vielbeschworene Begegnung auf Augenhöhe vielleicht voraus, (nur?) über sich selbst zu sprechen?

 

Das Private ist das Politische – dieser alte feministische Satz ist immer wieder neu wahr und wir wollen das noch mal neu ausprobieren.

Also laden wir ein zu Aufführungen, in denen Einzelne über sich sprechen und spielen. Egal, ob es um persönliche Themen wie Familienangehörige, Krankheiten, Altern, Herkünfte oder sexuelle Orientierungen geht, oder um gesellschaftliche Erfahrungen mit politischer Kultur, Demokratie, Konsum und Vereinzelung, egal, ob es Tanz, Schauspiel, Figurenspiel, Performance oder alles gleichzeitig ist. Immer ist der Ausgangspunkt das Eigene und sucht den Austausch mit dem Eigenen der anderen. Also mit Ihnen zum Beispiel.